Mehrere Organe entzündet – Bonner Student fordert Schmerzensgeld nach Covid-Impfungen
Bonn. Von einer Tachykardie, einer Hashimoto-Thyreoiditis oder der Post Exertion Malaise hatte der Student aus Bonn bis Anfang vergangenen Jahres noch nie etwas gehört. Mitte März bescheinigte ein Untersuchungsbericht der Sport- und Rehabilitationsmedizin am Universitätsklinikum Ulm dem 25-Jährigen genau diese Leiden: ständiges Herzrasen, eine chronische Entzündung der Schilddrüse und eine Verschlimmerung der Symptome nach geringster Belastung. Und das ist nur ein Teil seiner Dauerbeschwerden.
Bonner Generalanzeiger – Dr. Martin Wein, 21.06.2023
Unmittelbar nach zwei Impfdosen mit dem Sars-Covid19-ImpfstoffCominarty von Biontech-Pfizer sei er nicht nur an einer Herzmuskelentzündung (Myokarditis) erkrankt, sondern habe auch ein „Post-Vac-Syndrom mit starker Beeinträchtigung“ entwickelt, schreibt die Klinik in ihrem Bericht, der dem GA vorliegt.
Eineinhalb Jahre später geht es dem Betroffenen noch immer nicht besser – im Gegenteil: „Im Studium und Alltag bin ich körperlich erheblich eingeschränkt. Ärzte bescheinigen mir im Moment noch zehn bis 20 Prozent meines früheren Leistungsniveaus“, berichtet er. Am schwersten wiegt allerdings die Angst, dass Dauerschäden bleiben, die das Berufsleben für immer einschränken und die finanzielle Absicherung damit gefährden könnten. „Die Symptome sind mit der Zeit immer schlimmer geworden“, sagt der Betroffene. Im letzten Semester habe er nicht eine Prüfung schreiben können.
Mit seinen Erfahrungen habe der junge Mann, der selbst nie an Covid-19 erkrankte, in den vergangenen eineinhalb Jahren bei Freunden, Bekannten und in der Öffentlichkeit viele ablehnende Reaktionen geerntet. Deshalb möchte er anonym bleiben. „Ich habe mich mit der Impfung doch solidarisch gezeigt. Deshalb verstehe ich nicht, warum die Gesellschaft mich bei diesem Thema jetzt im Stich lässt“, sagt er. Aus Verzweiflung hat er eine auf Impf- und Medizinrecht spezialisierte Rechtsanwältin eingeschaltet. Es geht um Schmerzensgeld und eine Rente nach einem Impfschaden.
Schon die erste Impfdosis bei einer Bonner Hausärztin im Oktober 2021 sei ihm schlecht bekommen, sagt der junge Mann rückblickend: „Es war wie ein schwerer Infekt.“ Die Medizinerin habe seine Bedenken auf Nachfrage weggewischt. Drei Wochen später bekam er die zweite Dosis – und landete in der Nacht darauf mit Zuckungen am ganzen Körper im Sankt-Josef-Hospital in Beuel. Dort hielt man das noch für eine übliche Impfreaktion vergleichbar einem Schüttelfrost. Erst ein befreundeter Arzt vermittelte eine Untersuchung in einer anderen Klinik. Dort kam der Bonner gleich für fünf Tage auf die Kardiologie. Diagnose: Herzmuskelentzündung. Junge Männer hatten nach der Impfung statistisch betrachtet ein erhöhtes Risiko dafür. Aufgeklärt worden sei er darüber nicht, sagt der Betroffene.
Die akute Entzündung soll zwar abgeklungen sein, aber Herzrasen mit einem Ruhepuls teils von 180, Herzstolpern, Brustschmerzen, Atemnot, Kopf- und Muskelschmerzen und Konzentrationsstörungen seien geblieben. Gegen die Unterfunktion der Schilddrüse nimmt der Studierende inzwischen Tabletten. Die Schwellung von Leber und Milz mit entsprechend schlechten Blutwerten sind noch in Abklärung. Viele Ärzte hätten es schlicht abgelehnt, sich seinen Fall überhaupt anzuschauen, berichtet der Bonner.
Seine Rechtsanwältin Anja Dornhoff aus Kirchen im Siegerland ist zuversichtlich, dass der Betroffene Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensausgleich hat. Sie sagt: „Ich vertrete seit mehr als 25 Jahren Mandantinnen und Mandanten, die einen Impfschäden erlitten haben. Durch meine langjährige Erfahrung kann ich bereits im Erstgespräch einen genauen Eindruck der Fälle gewinnen und die Erfolgsaussichten ausmachen.“ Rund 120 mutmaßliche Opfer von Covid-Impfschäden betreut die Juristin. Gütliche Einigungen mit Impfherstellern konnte sie noch nicht erzielen. „Ich habe allerdings bereits Fälle gegenüber den zuständigen Versorgungsämtern anerkannt bekommen“, erklärt sie.
Wie der Impfstoffhersteller Biontech auf GA-Anfrage mitteilt, sei eine Herzmuskelentzündung seit Juli 2021 in Absprache mit den zuständigen Behörden als „mögliche sehr seltene Nebenwirkung“ in die Fach- und Gebrauchsinformationen aufgenommen worden. „Im Hinblick auf Haftungsansprüche nach der Impfung mit Comirnaty sind uns bisher keine gerichtlichen Urteile zugunsten der Kläger gegen Biontech/Pfizer bekannt“, sagt eine Unternehmenssprecherin. Mehr als schätzungsweise 1,5 Milliarden Menschen weltweit und mehr als 64 Millionen Menschen allein in Deutschland hätten den Impfstoff erhalten. „Die gleichzeitig sehr geringe Anzahl von möglichen Nebenwirkungen unterstreicht die Verträglichkeit des Impfstoffs“, so die Sprecherin.
Vor seinen Impfungen im Herbst 2021 war der junge Bonner in seiner Freizeit vor allem sportlich unterwegs. 200 Kilometer am Stück ist er mit seinem Rennrad gefahren und mehrfach auch in Bonn den Halbmarathon gelaufen. Daran ist seither nicht mehr zu denken. „Aber es geht hier nicht um Sport“, betont er. Schon eine Kiste Wasser in die Wohnung zu tragen, sei zu anstrengend. Eine Aufgabe, die seither die Freundin übernimmt. Auch im Kopf fühlt der Betroffene sich oft wie bei einer schweren Grippe in Watte gepackt. „Geld ist mir gar nicht wichtig“, sagt er, „ich möchte mein Leben zurück“.
1386 Betroffene in NRW sehen Impfschaden
Deutschlandweit haben nach einem Bericht von „Zeit Online“ mit Daten aus allen Bundesländern bislang rund 9000 Menschen einen Antrag auf Anerkennung eines Impfschadens gestellt. Das entspricht statistisch gesehen einem unter 10.000 Geimpften. In NRW meldeten sich 1385 Betroffene. Hier liegt die Anerkennungsquote mit 21 Prozent am höchsten (Bundesschnitt: elf Prozent). Allerdings wurden bislang nur 241 Fälle beschieden. Oft scheitert die Anerkennung daran, dass Betroffene den ursächlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen der Impfung und ihren Beschwerden nicht beweisen können.
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